Die Europäische Zentralbank (EZB) wird des Polterns nicht müde. Notenbankchef Mario Draghi nutzt eine derzeit im portugiesischen Sintra stattfindende große EZB-Konferenz, um vor einer wachstumsschädigender Abwärtsspirale fallender Preise zu warnen. Der Euro reagiert schon gar nicht mehr darauf.
Seit der Notenbanksitzung am 8. Mai in Brüssel meldet sich fast tagtäglich mindestens ein Mitglied des EZB-Rates oder des Direktoriums zu Wort, um über geldpolitische Lockerungen zu schwadronieren. Der inflationäre Gebrauch dieser verbalen Interventionen ist ein Indiz dafür, dass Draghi und seine Kollegen alles versuchen, um einen erneuten Anstieg des Euros auf 1,40 US-Dollar zu verhindern.
Man werde sich nicht damit abfinden, dass die Inflation zu lange auf zu niedrigem Niveau bleibe, sagte Draghi in Sintra. Wenn sich die Inflation im Euroraum nicht mittelfristig wieder Richtung zwei Prozent bewege, sei es die Verantwortung, die Risiken für dieses Szenario zu sehen und sich darauf vorzubereiten, erklärte der Italiener.
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Das Getöse dürfte noch gut eine Wochen andauern. Sodann findet die Juni-Sitzung der EZB statt und Draghi wird liefern müssen. Die Karten liegen bereits auf dem Tisch. Ende April hatte der EZB-Chef bereits die Reaktionsfunktionen bei einer Rede in Amsterdam offen gelegt. Demnach werde man einen zu starker Anstieg des Euros mit einer (konventionellen) Leitzinssenkung bekämpfen.
Im Falle eines weiteren Rückgangs der zuletzt bei 0,7 Prozent liegenden Inflationsrate werde die EZB hingegen unkonventionell über den breit angelegten Kauf von Anleihen eingreifen. Neue langfristige Geldspritzen für Geschäftsbanken kämen in Betracht, wenn die Kreditnachfrage in den krisengeschüttelten Euroländern schneller anzöge, als erwartet.
Am Devisenmarkt notierte der Eurokurs gegenüber dem Schweizer Franken zuletzt wenig verändert bei 1,2210. Die von Draghi und seinen Kollegen wegen den Deflationsgefahren so stark beobachtete Euro-Dollar-Wechselkurrate liegt bei 1,3640.
Stiege der Euro über 1,40 Dollar, würde die Inflation wegen den sinkenden Importkosten für in Dollar abgerechnete Rohstoffe wie Erdöl gedrückt. Die Folge: Das Deflationsgespenst würde es sich im Euroraum gemütlich machen.
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