Die Ratingagentur Standard & Poor’s beschuldigt die Schweiz und ihre Zentralbank zum Umschlagplatz für Milliarden von Euro geworden sein. Die Rede ist von „Euro-Recycling“. Die Schweizerische Nationalbank soll zur Verteidigung des Mindestkurses in den ersten sieben Monaten des Jahres für rund 80 Milliarden Euro Staatsanleihen der Euro-Kernländer gekauft haben und so die Renditen nach unten getrieben haben.
„Der Prozess deutlich sinkender Renditen von Staatsanleihen im Eurokern wurde maßgeblich durch die Mindestkurspolitik der SNB beeinflusst“, sagt S&P-Europa-Chefanalyst Moritz Krämer der Zeitung „Frankfurter Allgemeine“. In Kreisen der Europäischen Zentralbank werde die Währungspolitik der SNB schon seit längerem kritisch gesehen, schreibt das Blatt.
Kritiker der Schweiz fühlen sich bestärkt. Der Mindestkurs zeige, wie kompromisslos die Eidgenossen vorgehen, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Auch als es darum ginge Schwarzgelder aus den USA, Großbritannien und Deutschland zu verwahren, lenkte die Schweiz lange Zeit nicht ein. Schließlich brachten die Amerikaner das Schweizer Bankgeheimnis zu Fall.
Abstaubermentalität
Im Falle des Mindestkurses muss sich die Schweiz nun ein paar Fragen stellen lassen. Warum manipuliert man einen freien Wechselkurs? Die Japaner haben mit ihrer Währung ein ähnliches Problem wie die Schweiz. Allerdings verfolgt die Bank von Japan keine Interventionspolitik, weil ihr das die G7-Gruppe nicht erlauben würde.
Warum vermarktet die Nationalbank ihren Mindestkurs im Inland und Ausland unterschiedlich? Schweizintern wird stets hervorgehoben, dass der Mindestkurs erforderlich sei, um die heimische Exportbranche zu unterstützen. Im Ausland würde man mit einer solchen Argumentation nicht weit kommen. Auf internationaler Bühne sagt die SNB, dass sie Deflationsgefahren bekämpfen müsse.
Das Wirtschaftsmodell Schweiz, dass darauf beruht, sich überall die Rosinen herauszupicken, könnte man sich auch in Brüssel noch einmal genau anschauen. Grundsätzlich hat die Schweiz keinen Anspruch darauf über einen künstlichen Mindestkurs kräftig in den Euroraum zu exportieren, ohne dabei Nachteile zu akzeptieren.
Im Fall von Deutschland und Österreich sieht das anders aus. Die Steuerzahler der beiden Länder tragen aktiv dazu bei, dass sich die Lage in der Eurozone derzeit wirtschaftlich stabilisiert. Wenn es gerecht zugehen würde, müsste die Nutzung des europäischen Marktes für deutsche- und österreichische Unternehmen gegenüber Schweizer Firmen bevorteilt werden.