Der Eurokurs fürchtet sich nicht vor einer Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB). Wenige Stunden vor der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz mit Notenbankchef Mario Draghi klettert die Gemeinschaftswährung auf 1,2401 Franken. Das ist der höchste Stand seit dem 15. August 2013.
Die Europäische Zentralbank wird den Leitzinssatz bei 0,50 Prozent belassen, wie eine Umfrage des Finanzdienstes Bloomberg unter 56 Ökonomen zeigt. Obgleich die jährliche Inflationsrate im Euroraum im August auf 1,3 Prozent sank und Abwärtsrisiken für die Preisstabilität birgt, werden sich aller Voraussicht nach die Falken im EZB-Rat durchsetzen.
Eine Leitzinssenkung auf ein neues Rekordtief von 0,25 Prozent hätte keinen greifbaren Effekt, weil sie nicht dazu führen würde, dass südeuropäische Regierungen und Unternehmen günstiger an Kredite kämen. Darüber hinaus dauert es etwa sechs Monate, bis eine Verringerung des Leitzinssatzes wirkt. Bis dahin dürfte die Wirtschaft im Euroraum jedoch ihren Erholungskurs gefestigt haben.
Aus der Sicht von Italien und Spanien würde ein niedriger Schlüsselzins dennoch Sinn machen. Die angeschlagenen spanischen Sparkassen, die zumeist im Besitz der Kommunen oder Regionen sind, könnten sich günstiger bei der EZB Geld leihen. Ohne das billige Zentralbankgeld wären viele solcher Geldhäuser bereits pleite.
Eine noch expansivere Geldpolitik würde darüber hinaus die Aufwertung des Euros gegenüber dem US-Dollar verlangsamen. Die Exportchancen der südlichen Eurozone in Drittländer stiegen. Eine Abwertung des Euros auf 1,20 USD würde "wie Wunder wirken", sagt der kanadische Nobelpreisträger Robert Mundell.