Der Euro beweist Stehvermögen. Mittlerweile kann sich die Gemeinschaftswährung aus eigener Kraft bei 1,05 Franken halten. Stützungskäufe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sind nicht länger erforderlich. Die Konjunkturerwartungen für den Euroraum klettern auf den höchsten Stand seit neun Jahren, während die Schweizer Wirtschaft wegen der plötzlichen Freigabe des Mindestkurses mit einer Rezession liebäugelt.
Aktuell notiert der Euro-Franken-Kurs bei 1,0470, nachdem er in der Vorwoche aus freien Stücken bis auf 1,0640 geklettert war. Die SNB hatte ihre Finger nicht im Spiel, wie die Entwicklung der Sichtguthaben der schweizerischen Banken zeigen. Sie stiegen lediglich um 1,56 Milliarden Franken auf 384,9 Milliarden Franken, teilte die SNB heute mit.
Die Entwicklung ist ein Indiz dafür, wie stark die SNB im Devisenmarkt interveniert, um den Euro anzuschieben. In den Wochen nach der Mindestkurs-Freigabe musste die Nationalbank jede Woche im Mittel 18 Milliarden Franken über die Notenpresse schöpfen und gegen Euros einwechseln. Inzwischen ist es nicht einmal ein Zehntel so viel. Daraus folgt, dass der Euro bei 1,05 Franken einigermaßen fair bewertet zu sein scheint.
Schweiz mit Rezessionssignal
Aufgrund neuer Konjunkturdaten wäre sogar ein Anstieg des Wechselkurses auf 1,10 möglich, sagen Marktbeobachter. "Vor dem Hintergrund der Konkretisierung des QE-Programms der EZB erklimmen die 6-Monats-Erwartungen für Euroland den höchsten Stand seit Februar 2006, für Deutschland erreicht der Gesamtindex sogar ein Allzeithoch", meldet die Investmentberatung sentix.
Das sentix-Konjunkturbarometer für die Schweiz bricht hingegen wegen der Aufwertung des Frankens ein. Der schwache Euro habe schon seit einiger Zeit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gegenüber dem Euroraum bedroht. "Doch im Januar erfolgte dann die Freigabe des EUR-CHF durch die Schweizerische Notenbank – und eine historisch starke Aufwertung der Alpen-Währung" erläutern die sentix-Experten.
Trotz der zugunsten von Euroland ausschlagenden Konjunkturdaten bleibt der Eurokurs vorerst bei 1,05 Franken stehen. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras verheddert sich zwischen Wahlversprechen und Reformzusagen an die Euro-Finanzminister. Der Aktienindex in Athen bricht zum Wochenauftakt um sechs Prozent auf 755 Punkte ein. Darüber hinaus treibt die Ukraine-Krise Sorgenfalten auf die Stirn der Anhänger eines höheren Euro-Franken-Kurses.