Gibt es ein Mindestkurs-Korridor zwischen 1,05-1,10? Das sei blanker Unsinn, sagen die Devisenexperten der Banken und ein ehemaliger Offizieller der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Ein weiteres Mindestkurs-Abenteuer würde überhaupt keinen Sinn machen. Auf den ersten Blick mag das so sein. Handelt es sich beim Mindestkurs-Korridor nur um eine Nebelkerze, mit der SNB-Chef Thomas Jordan Zeit gewinnen will?
Einem Pressbericht der Zeitung Schweiz am Sonntag zufolge strebt die SNB an, den Euro in einem Korridor zwischen 1,05 Franken und 1,10 Franken zu etablieren. Daraufhin kletterte der Eurokurs von 1,0390 Franken auf 1,0587 Franken. Angeheizt wurde die Rallye von einem SNB-Sprecher, der sich weigerte den Pressebericht zu kommentieren.
An einen inoffiziellen Mindestkurs zu glauben, nachdem der offizielle Mindestkurs gerade erst aufgehoben wurde, sei unsinnig, zitiert die Zeitung 20 Minuten den früheren SNB-Vizepräsidenten Niklaus Blattner. "Gäbe es eine neue Untergrenze, würde dasselbe Spiel wieder losgehen und sie würde vom Markt getestet, sagt Thu Lan Nguyen von der Commerzbank.
Auch bei der UBS hält man von einem inoffiziellen Mindestkurs nichts. Dem Devisenexperten Thomas Flury will nicht in den Kopf gehen, warum die SNB das Aufwärtspotential des Euro bei 1,10 Franken begrenzen sollte, wenn sie es doch vorzieht, den Eurokurs darüber zu sehen. "Es ist natürlich möglich, dass ein solcher Korridor diskutiert wurde, aber ich halte so etwas für wenig glaubwürdig", lässt sich Flury vom Wall Street Journal zitieren.
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Die Fachwelt könnte falsch liegen, weil sie nicht "um die Ecke" denkt. Ein inoffizieller Mindestkurs bei 1,05-1,10 würde aus dem Blick der SNB und der Schweizer Wirtschaft durchaus Sinn machen, weil er die Planungssicherheit der Unternehmen steigert. Die Exporteure könnten damit besser leben, als beispielsweise mit einem zwischen 0,95 Franken und 1,15 Franken wild umher schwankenden Eurokurs.
Darüber hinaus wäre der Korridor für die Schweizerische Nationalbank nützlich. Sie könnte sich bei einem Anstieg des Euros auf 1,10 Franken sehr viel leichter von Euro-Währungsreserven trennen oder diese umschichten. Das ist insofern von Bedeutung, weil der SNB in diesem Jahr einen Verlust von 50 Milliarden Franken droht.
Mit einem geschickten Interventions- und Umschichtungsspiel könnte die SNB versuchen die Verluste zu verkleinern, um weniger angreifbar für politische Attacken der Konservativen zu sein, die Euro-Stützungskäufen von Anfang an skeptisch gegenüber standen.
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