Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) plaudert aus dem Nähkästchen. Auf den ersten Blick ist das, was Thomas Jordan skizziert, nichts Neues: Der Schweizer Franken bleibe überbewertet, eine neue Stützgrenze komme nicht infrage. Wer zwischen den Zeilen liest, kann jedoch eine Strategie erkennen. Die Schweiz ist in einem Prozess, sich mit Eurokursen von 1,00-1,10 Franken anzufreunden.
Kritiker werfen dem obersten Währungshüter der Schweiz vor, die Euro-Trägheitspolitik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu kopieren. So wie Merkel gerade nur so viel tut, um ein Auseinanderbrechen des Euroraums zu verhindern, sei Jordans Prinzip nur gerade so viel zu tun, um die exportabhängige Schweizer Industrie vor einem Wechselkurs-Kollaps zu bewahren.
"Der Frankenschock entfaltet in der Schweizer Industrie seine zerstörerische Wirkung. Wegen des starken Frankens findet eine Deindustrialisierung statt. Verantwortlich für diese Krise ist in erster Linie die Nationalbank (SNB). Mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses am 15. Januar 2015 hat sie eine fatale Entscheidung getroffen", sagt die Schweizer Gewerkschaft Unia.
Dass Jordan dem Wunsch der Unia nach einem neuen Mindestkurs nachkommt, ist etwa genau so wahrscheinlich wie, dass Merkel dem Wunsch von Italien und Spanien nach gemeinsamem Staatsanleihen (Eurobonds) nachkommt.
Klappern gehört zum Handwerk
Man habe 2011 den Mindestkurs eingeführt, damit sich die Schweizer Wirtschaft auf die starke Aufwertung des Schweizer Franken einstellen konnte, erklärt Jordan auf einem Wirtschafts- und Politikforum. Den Mindestkurs zu Jahresbeginn aufzuheben, sei aber unumgänglich gewesen. "Wir liefen Gefahr unsere Währungspolitik nicht mehr kontrollieren zu können", so Jordan.
Wozu Jordan nichts sagt, ist darüber, ob die Schweizer Volkswirtschaft überhaupt noch unter dem Frankenjoch leidet. Die SNB hat ganz gewiss jede Menge geforscht, um herauszufinden, wie weit sie mit dem Euro-Franken-Kurs nach unten gehen kann, ohne das es zu einer Deindustrialisierung der Schweiz kommt.
Die Konjunkturentwicklung gibt der SNB recht. Entgegen weit verbreiteter Befürchtungen ist die Schweiz nach der Mindestkurs-Aufhebung einer Rezession entkommen. Für 2016 rechnet das Wirtschaftsministerium in Bern mit einem Wachstum von 1,5%.
Ergebnis:
Bei Jordans Behauptung, wonach der Schweizer Franken momentan überbewertet sei, handelt es sich um ein Klappern, das zum Handwerk eines Notenbankchefs gehört. Jordan sagte das gleiche, als der Euro noch über 1,20 Franken stand. Insgeheim hat man sich in der Schweiz wohl damit angefreundet, dass die Neue Normalität Eurokurse zwischen 1,00 und 1,10 Franken sind.
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