Der Euro sinkt gegenüber dem Schweizer Franken in den letzten zwanzig Jahren von 1,50 auf 0,98. Dadurch verliert die Gemeinschaftswährung mehr als ein Drittel ihres Wertes. Bis Herbst 2007 liegt der Euro im Plus. Es folgen erdrutschartige Verluste. Der Euro-Franken-Kurs ist in einem langjährigen Abwärtstrend. Wegen der hohen Inflation in der Eurozone und der tiefen Inflation in der Schweiz ist eine Talfahrt auf 0,84 bis 2026 angezeigt.
2002-2007: Der deutsche EuroFür den Euro läuft es zunächst so, wie sich das der Finanzminister von Helmut Kohl, Theo Waigel, vorgestellt hat. Hier ist etwas Aufregendes entstanden. Der Schweizer Franken gehört in die Mottenkiste, urteilt der Devisenmarkt. Plötzlich ist Andalusien Europas Silicon Valley. Die Südstaaten geben beim Wachstum mächtig Gas. Angetrieben von dieser Euphorie steigt die Euro-Franken-Rate bis Herbst 2007 auf 1,68.
Der Euro scheint das Potenzial zu haben, den US-Dollar als weltweite Leitwährung herauszufordern. Das liegt auch daran, dass die junge Europäische Zentralbank eine Geldpolitik nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank macht. Die EZB bremst mit rechtzeitigen Leitzinserhöhungen die Inflation aus und liefert stabile Preise. Vielen Politikern gefällt das nicht. Sie werfen der EZB vor das Wachstum abzuwürgen, was sich als Trugschluss herausstellt. Die Währungshüter ziehen ihren Kurs durch. Der Euro steigt in dieser Zeit zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten zum US-Dollar auf.
Schweizer-Franken-KrediteIn Österreich boomt das Geschäft mit Fremdwährungskrediten. Die niedrigen Zinsen in der Schweiz zusammen mit dem fulminanten Aufstieg des Euro führen zu einem Franken-Kreditboom. Auch unzählige deutsche Kommunen sowie Häuselbauer in Polen, Ungarn und Kroatien gehen mit Franken-Krediten in die Vollen. Niemand kann sich zu diesem Zeitpunkt vorstellen, dass es sich bei der Aufwertung des Euro um eine Blase handelt.
Finanzkrise bricht ausSchließlich knistert es im Gebälk der Finanzmärkte. Die britische Hypothekenbank Northern Rock wird das erste Opfer der Finanzkrise. Der Schweizer Franken setzt ein erstes Ausrufezeichen, und so fällt der Euro-Franken-Kurs zwischen Oktober 2007 und März 2008 von 1,68 auf 1,57.
Dem Euro gelingt es dann noch einmal kurz gegenzuhalten. Er klettert bis Mitte 2008 auf 1,64 Franken. Öl ist mit 150 Dollar je Fass so teuer wie noch nie. Die Europäische Zentralbank setzt trotz Konjunkturabkühlung eine Leitzinserhöhung, um dem importierten Anstieg der Inflation den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Euro-Dollar-Kurs steigt infolge mit 1,60 auf ein Allzeithoch.
Schweizer Franken stark gefragtDie Vorherrschaft der USA an den Finanzmärkten sei vorbei, sagt der deutsche Finanzminister Per Steinbrück auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise im Bundestag. Er wusste zu diesem Zeitpunkt nicht: Der Euro steht vor einer Zerreißprobe (Schuldenkrise). Im Herbst 2008 geht es drunter und drüber. Am Schweizer Franken führt nach der Lehman-Pleite kein Weg vorbei, und so fällt der Euro-Franken-Kurs auf 1,47. Die Berichterstattung ist alles andere als ausgewogen. Es kommt niemand auf die Idee, dass der Börsencrash auch in Verbindung mit so gut wie sicheren Wahl Barack Obamas steht, bei dem die Wall Street eine sozialistische Agenda verortet.
SNB beginnt zu intervenierenIm März 2009 greift die Schweizerische Nationalbank ein. Ihr geht die Abschwächung des Euro zu schnell, weshalb sie einen ersten Mindestkurs bei 1,50 einführt. Ziel ist es, der Exportwirtschaft unter die Arme zu greifen. Die Unternehmen sind extrem verunsichert, als sich ihre für den Euroraum hergestellten Waren wechselkursbedingt stark verteuern. Mit der Planungssicherheit ist es vorbei. Die Exporteure tappen im Dunkeln. Sie wissen nicht, wie sich die Ausfuhren entwickeln werden, zumal allerorts schwere Rezessionen grassieren.
Euro-Mindestkurs bei 1,20 FrankenEnde 2009 beendet die Schweizerische Nationalbank den Euro-Franken-Kurs über 1,50 zu halten. In Griechenland beginnt die Euro-Schuldenkrise. Weitere Stationen sind Irland, Portugal, Zypern, Spanien und Italien. Es stellt sich heraus, dass dem einstig hohen Wirtschaftswachstum dieser Länder die Substanz fehlte. Das ruft erneut die Schweizerische Nationalbank auf den Plan. Im August 2011 fällt der Euro-Franken-Kurs auf 1 zu 1. Einen Monat später führt der damalige SNB-Präsident Philipp Hildebrand einen unverrückbaren Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken ein.
Whatever it TakesMit diesen Worten beendet Mario Draghi im Juli 2012 die Euro-Schuldenkrise. Der Euro klettert in den darauf folgenden zwölf Monaten auf 1,26 Franken. Als es so aussieht, dass der Euro-Franken-Kurs auf 1,30 weitersteigt und Banken mit Wechselkursprognosen von bis zu 1,40 aufwarten, kommt die Kehrtwende. Die SNB findet nicht zur Ruhe. Statt am Devisenmarkt zu intervenieren, muss Notenbankchef Hildebrand wegen einer umstrittenen Devisentransaktion seiner Frau zurücktreten. Nachfolger wird Thomas Jordan. Er hält am Mindestkurs von Hildebrand noch drei Jahre fest. Darüber hinaus sagt das Schweizer Stimmvolk Ja zu einer hochumstrittenen Masseneinwanderungsinitiative.
Mindestkurs-PaukenschlagAm 15. Januar 2015 hebt die Schweizerische Nationalbank völlig überraschend den Mindestkurs auf. Der Euro-Franken-Kurs fällt in wenigen Minuten von 1,20 auf 0,84. Schließlich stabilisiert sich die Devisennotierung bei 1 zu 1. Es folgt ein fulminanter Wiederanstieg. Angetrieben von robustem Wachstum in den Euroländern klettert der Euro-Franken-Kurs bis April 2018 auf 1,20.
2018: Nächste große Euro-Abwertung beginntDer Wirtschaftsaufschwung der Eurozone hat Mitte 2018 seinen Zenit überschritten. Darüber hinaus kommen die alten Probleme der Gemeinschaftswährung wieder zum Vorschein. Der Euro-Franken-Kurs reagiert auf ein Protestwahlergebnis Italiens mit einem scharfen Rückgang von 1,20 auf 1,15. Weil die EZB versäumte während den fetten Wachstumsjahren die Zinsen zu erhöhen, fehlt dem Euro das Rüstzeug, um gegenüber dem Schweizer Franken zu bestehen. Draghi beendet seine Amtszeit mit einem Eklat. Er drückt im EZB-Rat einen Monat vor seinem Abschied ein hochumstrittenes Staatsanleihen-Kaufprogramm mit der Mehrheit der Südländer durch. Das bringt den Euro gegenüber dem Schweizer Franken in noch schwierigeres Fahrwasser.
2020: Covid und FrankenstärkeDer Covid-Ausbruch kommt zur Unzeit für den Euro. Das Wachstum ist bereits schwach. Als die Pandemie unkontrolliert ausbricht, purzelt der Euro-Franken-Kurs auf 1,05. Die Schweizerische Nationalbank hat im Frühjahr 2020 alle Hände voll zu tun, um einen noch tieferen Absturz zu verhindern. Schließlich gibt Deutschland dem Drängen Frankreichs und der Südländer nach. Die EU installiert einen Aufbaufonds, der mit gemeinsamen Schulden finanziert wird. Die Aussicht auf Eurobonds führt zu einem Anstieg der Euro-Franken-Rate auf 1,11 bis März 2021.
2022-2023: Krieg in EuropaRussland überfällt die Ukraine, der Euro purzelt infolge auf 0,94 Franken. Für Europa ist es der schlimmste Krieg seit 1945. Wegen einer drastischen Verteuerung von Öl und Gas steigt die Inflation über zehn Prozent. Die Konjunktur in der Eurozone erholt sich allerdings schneller als erwartet. Daraufhin startet der Euro einen Anstiegsbewegung, die Anfang 2023 bei 1,01 Franken gipfelt. Am Ende des ersten Quartals 2023 notiert die Euro-Franken-Rate bei 0,99. Die von der Credit Suisse verursachten Turbulenzen erinnern an Northern Rock und den Auftakt der Finanzkrise.
Ausblick:
Der Schweizer Franken ist eine Währung mit einer niedrigen Inflation (3%). Der Euro ist hingegen eine mit einer hohen Inflation (9%). Den Inflationsunterschied muss der Devisenmarkt durch einen fallenden Euro-Franken-Kurs Rechnung tragen. Seit 15 Jahren geht es bereits abwärts. Wie hoch die Abschwächung für den Euro am Ende ausfällt, ist schwer zu sagen. Für eine Schätzung empfiehlt sich folgende Richtschnur herzunehmen: Man teilt das Allzeithoch der Euro-Franken-Rate vom Oktober 2007 bei 1,68 durch zwei. Damit ergibt sich ein Kursziel von 0,84, welches in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts erreicht werden dürfte.